Empirisch untersucht das Forschungsprojekt die Frage, warum nationale Verfassungs- und Höchstgerichte zu zentralen Foren für die Austragung von TSK werden (Im Folgenden wird für beide Gerichtstypen der Begriff ‚Verfassungsgericht‘ verwendet.). Die Hypothese lautet, dass Verfassungsgerichte angerufen werden, weil der Weg über nationale Parlamente wegen deren begrenzter Handlungsfähigkeit politischen und sozialen Akteuren nicht zielführend erscheint. Zugleich werden die Aussichten, Austeritätsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Währungssicherung vor europäischen Gerichten anzufechten, aufgrund deren zurückhaltender Rechtsprechung als gering eingeschätzt. Nationale Verfassungsgerichte erscheinen politischen und sozialen Akteuren demgegenüber als geeignete Foren, um die symbolische Anerkennung eines TSK zu erreichen.
Das zweite Teilprojekt untersucht aus politikwissenschaftlicher Perspektive die Frage, welche rechtlichen und politischen Gelegenheitsstrukturen dazu beigetragen haben, dass nationale Verfassungsgerichte als geeignete Foren der Bearbeitung von TSK wahrgenommen werden. Diese Gelegenheitsstrukturen können für die verschiedenen in Teilprojekt 1 identifizierten Konflikttypen unterschiedlich ausfallen.
Das zweite Teilprojekt fragt auch danach, wie soziale Konflikte formuliert und präsentiert werden müssen, um als Frage des nationalen Verfassungsrechts thematisiert zu werden und wie diese spezifische Präsentation der Konflikte auf die politische Dynamik der Konflikte zurückwirkt. Dabei geht es auch darum herauszufinden, in welchem Verhältnis die verfassungsgerichtliche Konfliktbearbeitung zur Politisierung von TSK als Konflikte über die Legitimität öffentlicher Gewalt in der EU steht.